Warum gehen Inhalte viral? Ein amerikanischer Professor behauptet, es gibt sechs Gründe.

Letztes Update am 2.8.2024 12:41 Uhr

Warum gehen Inhalte viral? Ein amerikanischer Professor behauptet, es gibt sechs Gründe.

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Ist es dem Zufall überlassen, welche Produkte und Inhalte im Internet viral gehen? Nein, behauptet der amerikanische Marketingprofessor Jonah Berger in seinem 2013 erschienen Buch Contagious: Why Things Catch On. Er nennt sechs Zutaten, die es braucht, um viral zu gehen. Dabei ist es ganz egal, ob man ein Restaurant vermarkten, ein Auto verkaufen oder einen Instagram-Post verbreiten möchte.

1. Sozialkapital

Wir mögen es, Dinge zu teilen, für die andere uns bewundern. Besonders gerne teilen wir dabei Einblicke in unser eigenes Leben. Die Inhalte, die wir teilen, müssen uns daher in einem guten Licht dastehen lassen. Das, was wir teilen, beeinflusst die Meinung anderer Personen über uns. Wir alle möchten interessant, schlau und hip wirken und nicht als Langweiler wahrgenommen werden. 

Auf Instagram teilen Influencer Bilder am Pool in Bali mit einem Sektglas in der Hand. Verschweigen tun sie, dass sie gar nicht in dem Strandresort übernachten, sondern nur mittags für einen kurzen Drink vorbeigekommen sind. Selbsternannte "Erfolgscoaches" fahren in ihren Videos mit dem Porsche in ihre private Villa. In Wahrheit sind Haus und Auto nur für ein Wochenende gemietet und der vermeintliche Erfolgscoach lebt noch im Kinderzimmer seiner Eltern.

Klar, privat versuchen die wenigsten, die Wahrnehmung über sich selbst so extrem zu verfälschen wie Influencer. Trotzdem teilen wir nur die Inhalte, die uns so dastehen lassen, wie wir uns selbst sehen und so wie andere uns wahrnehmen sollen. Es gibt drei Wege, die Wahrnehmung über unser Sozialkapital zu beeinflussen.

1.1 Der Wow-Faktor

Ungewöhnliche und überraschende Geschichten machen uns für andere interessant. Nur allzu gerne übertreiben wir, wenn wir von unseren Erfahrungen erzählen. Eine gute Taktik, um Aufmerksamkeit zu generieren, ist es, mit dem Gewohnten zu brechen. So wird ein langweiliges Produkt wie Klopapier zum Beispiel viel interessanter, wenn es eine schwarze Farbe hat. Plötzlich unterhält sich jeder über das schwarze Klopapier auf der Toilette.

Das gleiche gilt für YouTuber, die in Länder wie Afghanistan reisen, um dort mit den Taliban Videos zu machen. Der Durchschnittsdeutsche würde niemals in solch ein Land reisen und sich von den Taliban zum Essen einladen lassen. Würde der YouTuber aber Strandurlaub am Ballermann machen, dann wäre das für niemanden interessant. Vermarktbar ist alles, was für die Zielgruppe nicht normal ist. Solche Inhalte bleiben hängen und werden geteilt.

1.2 Gamification

Wir lieben es, uns in Wettbewerben mit anderen zu messen. Status ist uns Menschen extrem wichtig. Wir möchten unserer direkten Vergleichsgruppe überlegen sein. Viele Menschen in Deutschland sind unglücklich und behaupten, dass sie arm seien. Dabei ist im globalen Vergleich niemand in Deutschland arm. Reichtum und Status sind immer relativ zur direkten Vergleichsgruppe.

Wie kann ein Unternehmen Menschen Status verleihen? Es ist ganz einfach. Zumeist sind es Treueprogramme, über die der Kunde sich Zusatzleistungen erkaufen kann. Beispiele hierfür sind Flug- oder Zugmeilenprogramme, wo der Kunde Zugang zu Lounges bekommt oder als Erster das Flugzeug betreten darf. Die Aussicht auf eine Belohnung macht uns blind für die damit verbunden Kosten. Mit jedem Einkauf kommen wir unserem Ziel näher und möchten dann kurz vor dem Ziel auch nicht aufgeben, weil wir gewinnen wollen.

Ähnlich verhält es sich mit Hard Rock Cafes, wo billige Merchandise Artikel für teures Geld verkauft werden. Es ist ein Spiel für die Kunden, immer mehr Hard Rock Cafes in immer mehr Städten zu besuchen, um mit den T-Shirts anderen zeigen zu können, wo man überall schon war. Man sammelt für teures Geld Belohnungen, um andere beeindrucken zu können. Auf Online-Portalen und Social-Media funktioniert die Gamification dann häufig über Like-Buttons, den Nutzer-Status oder sonstige Rewards. Es hört sich eben geil an, im Wettbewerb mit anderen ein Gold- oder Platinummember von irgendwas zu sein. 

1.3 Exklusivität

Wir begehren Dinge, die schwer zugänglich sind. Geschäfte, in denen man nur auf Einladung einkaufen kann oder Produkte, die andauernd ausverkauft sind. Unternehmen wissen das schon lange und setzen auf die künstliche Verknappung von Ressourcen. Ich kann einen Schuh in unbegrenzter Zahl verkaufen, das macht ihn aber nicht interessant. Handelt es sich hingegen um eine Limited Edition, die nur für 5 Stunden zum Verkauf steht und dann nie wieder, dann greifen die Menschen zu.

Wir bezahlen viel Geld für Exklusivität, damit wir uns von anderen Leuten abheben können. Wenn wir einen exklusiven Deal gemacht haben, dann posaunen wir das stolz in die Welt hinaus, damit auch jeder sehen kann, was für ein toller Hengst wir sind.

2. Triggerpunkte

Um dauerhaft erfolgreich zu sein, muss eine Marke Bestandteil des Alltags werden. Ein spektakuläres Erlebnis wird einmalig geteilt und danach nie wieder. Auch interessante Dinge vergessen wir schnell, da wir täglich vielen neuen Eindrücken ausgesetzt sind.

Um im Gespräch zu bleiben, müssen Marken daher gezielt Triggerpunkte setzen, die den Konsumenten an die Marke erinnern. Marken, die im Gedächtnis bleiben, werden immer wieder mit anderen geteilt und man greift immer wieder auf deren Produkte oder Inhalte zurück. Es ist daher wichtig, Assoziationen zwischen der Marke und Alltagssituation der Kundschaft herzustellen.

Ich hoffe doch sehr, dass meine Leser sich beim Anblick eines Minzblatts zumindest unterbewusst an diesen Blog erinnern. Ein Trigger könnte auch sein, Blogbeiträge zu kategorisieren mit Namen wie beispielsweise "Gespräche aus der Kaffeeküche", sodass der Leser sich auf seiner Arbeit an den Blog erinnert fühlt. Ein Maskottchen im Stile des Teletubbie-Staubsaugers könnte auch helfen, einen Triggerpunkt zu setzen. Beim Staubsaugen wird man an den Blog erinnert und schaut im Anschluss noch mal vorbei, was es Neues gibt.

Ein Trigger wirkt immer am besten, wenn die gewünschte Aktion direkt ausgeführt werden kann. Wer sich auf einem Berggipfel beim Wandern aufhält, der wird wohl kaum Blogbeiträge checken. Es bringt daher wenig, als Blog mit einem Gipfelkreuz oder den Bergen assoziiert zu sein, weil man beim Wandern nicht auf den Trigger reagiert. Die goldene Frage lautet: "In welchen Alltagssituationen besuche ich eine Website?" Der Trigger sollte möglichst nah am Point-of-Sale sein.

3. Emotionen

Emotionen bringen Menschen dazu zu handeln und Dinge mit anderen zu teilen. Indem wir Emotionen teilen, können wir engere Bindungen zu unseren Mitmenschen aufbauen. Zudem machen Emotionen uns beeinflussbar. Wir handeln nicht mehr rational, sondern aus dem Affekt heraus. Meister der Manipulation wissen genau, wie man Emotionen gezielt hervorruft und für sich ausnutzt.

Damit Onlinebeiträge viral gehen, müssen die bei uns ausgelösten Emotionen uns stark erregen. Besonders erfolgreich sind Beiträge, die Wut oder Begeisterung bei uns auslösen. Auch Humor stimuliert uns. Weniger geeignet sind Emotionen wie Trauer oder Zufriedenheit, weil wir darauf nicht stark reagieren. Emotional müssen immer die Extreme angesprochen werden, damit unser Gehirn stimuliert wird.

Die Auswirkungen hiervon sehen wird täglich in den Nachrichten und sozialen Netzwerken, wo Hetze an der Tagesordnung steht. Die einen haben Angst und sind wütend auf die Flüchtlinge, die anderen fürchten den Klimawandel und das Artensterben und kleben sich vor lauter Wut auf der Straße fest. Beides sind Menschengruppen, die durch emotionale Botschaften manipuliert wurden. Bei einer rein faktenbasierten Berichterstattung geht niemand auf die Straße und protestiert gegen etwas. Uns interessiert nur, was uns emotional berührt.

4. Öffentliche Sichtbarkeit

Menschen werden stark von den Gewohnheiten ihrer Mitmenschen beeinflusst. Die Verhaltensweisen, die wir in unserer Umgebung sehen, die imitieren wir. Wenn jeder in unserem Umfeld ein iPhone hat, dann möchten wir auch eins. Wenn unser gesamter Freundeskreis raucht, dann werden wir wahrscheinlich auch zum Raucher. Wir passen unser Verhalten an das der Gruppe an.

Besonders Modemarken profitieren von gut sichtbaren Logos auf der Kleidung, denn was könnte eine bessere Werbung sein als ein Freund, der einen mit Markenklamotten vertraut macht? Wenn Freunde des Kunden die Modemarke tragen, dann wird die Marke als modisch und hochqualitativ wahrgenommen. 

Für virale Beiträge im Onlinemarketing ist es essentiell, dass andere Menschen sehen, dass bereits viele andere Personen den Beitrag mögen und geteilt haben. Diese Information sollte immer prominent an den Konsumenten vermittelt werden. Inhalte mit wenigen Likes und Interaktionen werden häufig nicht geteilt und kommen so nicht von der Stelle. Gerade deshalb wird auf sozialen Netzwerken häufig auf Bots zurückgegriffen, die Fake-Interaktionen generieren, über die dann echte Menschen angeregt werden, Inhalte weiterzuverbreiten. Wir fühlen uns erst sicher, den Beitrag als gut zu befinden, wenn andere das auch tun.

5. Praktischer Nutzen

Wie heißt es so schön im Englischen: "Caring is sharing." Wer Inhalte teilt, der möchten anderen oft helfen. So ist es kein Wunder, dass Inhalte, die einen praktischen Nutzen für den Adressaten haben, besonders häufig im Internet verbreitet werden. Das können simple Dinge wie Kochtipps sein, aber auch unschlagbare Sonderangebote in Onlineshops. 

Je größer der Nutzen und je relevanter die Informationen für die Zielgruppe sind, desto häufiger werden Inhalte geteilt. Es hilft dabei besonders, bestimmte Nischen zu besetzen. Bei Informationen zu einer bestimmten Hunderasse wissen wir zum Beispiel genau, welcher unserer Freunde solch einen Hund zu Hause hat. Wir haben direkt im Kopf, mit wem wir die Information unbedingt teilen müssen. 

Am besten schneiden Inhalte ab, die kurz und präzise gehalten sind. Wer wissen möchte, was die beste Küchenmaschine auf dem Markt ist, der möchte keinen Roman darüber lesen, wie die Uroma noch von Hand den Teig geknetet hat. Auch Google und Microsoft haben das mittlerweile erkannt. So bietet die Googlesuche Snippets an, die aus extrahierten Inhalten von Internetseiten bestehen, sodass man beispielsweise ein Rezept direkt auf Google lesen kann, ohne von einem zweiseitigen Aufsatz über die Katze der Autorin erschlagen zu werden. Dem gleichen Nutzen dienen Chatbots, die dem Nutzer direkt und ohne Umweg Antworten auf dessen Frage liefern.

6. Storytelling

Wir lieben Botschaften, die uns durch Geschichten vermittelt werden. Solche Informationen sind einprägsam und wir geben sie gerne an andere weiter. Wir alle sind leidenschaftliche Geschichtenerzähler. 

Einer persönlichen Geschichte vertrauen wir mehr als einer reinen Werbebotschaft. Wenn uns ein Freund erzählt, wie er mit seinem Fahrrad eine Tour durch ganz Europa gemacht hat, dann wissen wir, dass das Fahrrad gut sein muss. Über Geschichten werden viele implizite Botschaften übermittelt. Wenn der Freund plump erzählt: "Mein Fahrrad ist gut.", dann ist das weniger einprägsam und vertrauenswürdig, als wenn er uns von seinen Fahrradtouren erzählt. 

Um durch Storytelling die eigene Reichweite zu erhöhen, reicht es nicht aus, einfach nur irgendwelche unterhaltsamen Geschichten zu erzählen. Die Geschichten müssen immer einen Bezug zu den Inhalten haben, die man der Leserschaft vermitteln möchte. Je öfter Geschichten geteilt werden, desto mehr unwichtige Details fallen weg oder werden verfälscht. Die Markenbotschaft eines Unternehmens oder einer Person muss daher immer eine zentrale Rolle in der Geschichte einnehmen.

Besonders gut eignen sich im Online-Marketing daher persönliche Erzählungen, die eng mit der eigenen Person verknüpft sind. Aber auch wer ein Produkt bewirbt, der sollte sicherstellen, dass das Produkt der Star der Erzählung ist. Geschichten sollten immer vor dem Hintergrund geschrieben werden: "Welche Details sind der Person wichtig, die die Geschichte weitererzählt?"


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