Das Wichtigste kommt zum Schluss. Punkt.
Letztes Update am 21.5.2024 17:25 Uhr
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Das Internet ist überfüllt mit Inhalten. Wer gehört werden will, der muss das Interesse seiner Zielgruppe wecken. Die Inhalte müssen den Leser überzeugen.
Ein weitverbreitetes Kommunikationskonzept ist die Pyramide, an deren Spitze die Kernaussage des Verfassers steht. Das Prinzip in der pyramidalen Kommunikationsstruktur lautet: Vom Wesentlichen ins Detail. Erst das Statement, dann die Begründung.
Doch diese Struktur hat einen fatalen Nachteil. Wenn ich die Hauptinformation zu Beginn des Vortrags erhalte, warum dann noch weiter zuhören? Es fehlt ein hollywoodreifer Spannungsbogen, der den Zuschauer in seinen Bann zieht, sodass er sich nicht mehr vom Bildschirm lösen kann. Ein Mordfall, der schon zu Beginn der Story aufgeklärt ist, liefert kein gutes Buchmaterial für einen Krimi!
Wie die Filmindustrie uns Geschichten erzählt
Wir alle lernen in unserer Schulzeit den Aufbau eines Dramas in fünf Akten nach Gustav Freytag. Die da lauten:
- Exposition
- Steigerung
- Höhepunkt
- Retardierendes Moment
- Katastrophe
Die Exposition führt den Leser in die Vorgeschichte der eigentlichen Handlung ein. Aufbauend auf diesen Verhältnissen entwickelt sich ein Konflikt, der dann am Höhepunkt des Dramas eskaliert, was eine unvorhersehbare Wendung der Handlung zur Folge hat. Spannend bleibt es bis zum Schluss, da ein retardierendes Moment die Auflösung der Handlung bis zum letzten Akt der Katastrophe (oder auch dem Happy End) verzögert.
Besonders gut lässt sich diese Struktur bei so banalen Fernsehfilmen wie beispielsweise dem Traumschiff im ZDF beobachten:
- Die Reisenden boarden das Schiff und der Zuschauer wird in deren Beziehungen, Denkweisen und Verhaltensmuster eingeführt.
- Bereits auf der Fahrt zum Reiseziel bahnen sich die ersten Konflikte an, zum Beispiel trifft ein Adoptivkind unerwartet auf seine leiblichen Eltern.
- Am Urlaubsziel angekommen spitzt sich der Konflikt dann zu. Das Adoptivkind macht seinen Adoptiveltern Vorwürfe, warum diese ihm nie etwas von der Adoption erzählt haben. Die Situation eskaliert und mündet im Streit. Der geplante Traumurlaub auf der Karibik entwickelt sich für die Familie zum Horror. Wer hätte das nur beim Betreten des Schiffs ahnen können?
- Zu Beginn der Rückfahrt ist die Stimmung an Board bedrückt. Die Schiffscrew und Mitreisende werden benötigt, um die Wogen wieder zu glätten. Der Zuschauer weis zu diesem Zeitpunkt: Die Handlung steuert auf ihr Ende zu, die Auflösung ist in Sicht.
- Nach einem persönlichen Gespräch mit dem Schiffskapitän sprechen die beiden Elternpaare sich offen aus und es wird vereinbart, dass das Kind seine leiblichen Eltern einmal im Monat besuchen darf. Das Kind erlangt eine neue Sichtweise und empfindet Dankbarkeit für die Leistung seiner Adoptiveltern. Mit einem Gala-Dinner wird das Happy End auf dem Schiff gefeiert.
Auch wenn das Traumschiff kein Meisterwerk der Literatur ist, so lassen sich anhand dieses Beispiels ganz gut zwei "unerwartete" Wendungen im Handlungsstrang erkennen.
- Das zu Beginn der Story herzliche Verhältnis der Familie wird zerrüttet (Höhepunkt).
- Die zerstrittene Familie versöhnt sich auf der Rückfahrt wieder (Retardierendes Moment).
Der Zuschauer weis bei dieser Art von Fernsehfilm: Es kommt zum Happy End. Der Film folgt einem roten Faden. Die Struktur ist vorhersehbar und leicht verständlich. Und doch erzeugt der Film einen Spannungsbogen. Wie gelingt es den Konfliktparteien, ihren Streit beizulegen?
Der Film steuert auf den Moment der Konfliktlösung zu: die Pointe.
Warum die Pointe so wichtig ist
Eine gute Pointe ensteht nicht durch Zufall. Der Zuschauer sieht sie schon von Weitem kommen. Die Pointe liegt ihm auf der Zunge, er kann sie nur nicht aussprechen. Sie ist die logische Schlussfolgerung auf das zuvor Gesagte.
Und am allerwichtigsten: Die Pointe zeigt Wirkung. Ein Phänomen, das durch den Rezenzeffekt verstärkt wird. Der Rezenzeffekt beruht darauf, dass wir uns an zuletzt wahrgenommene Informationen besser erinnern als an frühere Informationen. Wir verleihen den Informationen, an die wir uns besser erinnern, mehr Gewicht in unserer Entscheidungsfindung.
Stefan Wachtel stellt in seinem Buch "Das Zielsatz-Prinzip" das Konzept der Pointierung sehr anschaulich dar. Er empfiehlt seinen Lesern, in Trichtern zu sprechen. Die Öffnung des Trichters ist weit, spitzt sich im Laufe der Rede immer weiter zu und mündet im geplanten Zielsatz: der Pointe.
Ein Trichter besteht aus drei Bestandteilen:
- Zugang
- Mittelteil
- Zielsatz
Am Anfang des Trichters müssen möglichst viele Zuhörer mitgenommen werden. Um den Zuhörer für die Botschaft empfänglich zu machen, gilt es Gemeinsamkeiten, Gefühle und Sehnsüchte des Gegenübers anzusprechen.
"Was gibt es Schöneres, als an langen Sommerabenden im Garten vom Eigenheim zu grillen?", fragte der Bausparkreditverkäufer den Kunden. Der Pfarrer predigte am Sonntag in der Kirche: "Wir alle träumen doch davon, von unseren Sünden erlöst zu werden." Und der Politiker im Wahlkampf entgegnete dem besorgten Bürger: "Sie haben Recht mit Ihren Bedenken. Ich sehe, dass Sie sich ärgern."
Im Mittelteil gilt es dann den Zielsatz zu begründen. Eine bloße Begründung, egal wie unsinnig sie ist, macht eine Aussage überzeugender. Wichtig ist für uns Menschen nicht, was ein Mensch für Gründe hat, sondern nur, dass er welche hat.
Wie viele Kriege auf dieser Welt lassen sich rational begründen? Vladimir Putin begründete im Jahr 2022 den Angriffskrieg auf die Ukraine unter anderem damit, dass er Menschen schützen müsse, die "seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind". Um diesen Genozid zu stoppen, müsse Russland sich "um die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine bemühen". Ein Faktencheck der Deutschen Welle ergab, dass diese Behauptungen vollkommen aus der Luft gegriffen sind.
So absurd Putins Aussagen auch klingen mögen, sie sind elementar wichtig für die Sicherung seiner innenpolitischen Machtposition und für die Moral seiner Truppen. Niemand möchte für sein Vaterland in einem unbegründeten Krieg sterben. Wir lieben Menschen mit Visionen, die uns ihr Handeln einfach erklären können. Deshalb gilt: Egal was Du sagst und tust: Begründe es, egal wie!
Der Zielsatz ist der letzte Teil eines wirkungsvollen Vortrags. Er ist die erwartbare Schlussfolgerung der vorangegangenen Argumentation. In den Worten der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Sie kennen mich." Ein Satz, der im Wahlkampf 2013 in aller Munde war und Merkel zum Wahlsieg verhalf. Ihre Nachricht kam beim Empfänger an.
Wir kennen Sie also, Angela Merkel und die Zutaten eines Trichters. In den Worten eines Autoverkäufers formuliert:
Zugang: "Wer träumt nicht davon, einmal alle auf der Autobahn zu überholen."
Mittelteil: "Dank der Geräuschdämmung im Cockpit können Sie im neuen Modell auch bei Höchstgeschwindigkeit entspannt Musik hören."
Zielsatz: "Deshalb sollten Sie sich für dieses Modell entscheiden."
Ganz wichtig: Nach dem Zielsatz ist Aus, Ende, Vorbei! Das Wichtigste kommt zum Schluss. Punkt.
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