Kenias chinesischer Zug: Die schlechteste Bahn der Welt?

Letztes Update am 24.7.2024 20:56 Uhr

Kenias chinesischer Zug: Die schlechteste Bahn der Welt?

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Für 3,8 Milliarden US-Dollar haben die Kenianer sich im Jahr 2017 von den Chinesen eine Bahnstrecke von Nairobi bis nach Mombasa bauen lassen. Der afrikanische Kontinent benötigt dringend Investitionen in die marode Infrastruktur und von den Chinesen wissen wir ja, dass sie durchaus fähig sind, große Infrastrukturprojekte professionell zu managen. Und was soll man da meckern? Der Passagierzug von Nairobi nach Mombasa verlässt den Startbahnhof auf die Sekunde genau und erreicht sein Ziel ebenfalls pünktlich. Warum es trotzdem eine der schlechtesten Bahnfahrten meines Lebens war? Dafür gibt es fünf Gründe.

1. Die abgelegene Lage der Bahnhöfe

Einer der größten Vorteile der Bahn gegenüber dem Flugzeug ist es, dass die Bahnhöfe sich in der Regel direkt im Stadtzentrum befinden, sodass man es nicht weit in die Innenstadt hat. Nicht so beim kenianischen Madaraka Express. Die neuen Bahnhöfe von Mombasa und Nairobi befinden sich in der Nähe der Flughäfen beider Städte und somit weit außerhalb vom Stadtzentrum. Fairerweise muss man sagen, dass es in Nairobi zumindest einen Zubringerzug zur alten Bahnstation in die Innenstadt gibt. Man muss dafür aber umsteigen.

Nun ist es generell vielleicht ja auch nicht schlecht, in der Nähe vom Flughafen zu sein, wenn man beispielsweise direkt einen Anschlussflug hat. Die Bahnhöfe von Mombasa und Nairobi sind aber nicht direkt mit dem Flughafen verbunden und die Strecke zwischen beiden kann nicht zu Fuß bewältigt werden. Stattdessen muss man sich an der Bahnstation mit der lokalen Taximafia rumschlagen, die einen für überzogene Preise von 10-20 US-Dollar in 10 Minuten zum Flughafen bringt. Diesen Preis zahlt man in der Economy-Class für die gesamte Zugfahrt von Nairobi nach Mombasa. Durch die überzogenen Taxikosten verdoppelt sich der Zugfahrpreis. Um ein Uber zu bekommen, muss man erstmal ein ganzes Stück von der Bahnstation weglaufen.

2. Der unnötig aufwändige Buchungsprozess

Für Kenias Züge werden nur so viele Tickets verkauft, wie auch Sitzplätze im Zug zur Verfügung stehen. An beliebten Reisetagen sollte man daher unbedingt online ein Ticket reservieren. Dieses Ticket gilt dann auch nur für einen bestimmten Zug, sodass man am Reisetag zeitlich nicht flexibel ist. Ich weiß, dass es auch in Deutschland das Konzept der Zugbindung für ICE Züge gibt, der Madaraka Express ist aber von der Geschwindigkeit und Ausstattung maximal mit einem Regionalexpress in Deutschland vergleichbar. Zudem hat man in Deutschland auch im ICE immer die Wahl für einen Aufpreis spontan ohne Zugbindung zu reisen.

Im Online-Portal wird ausschließlich die Zahlung über Kenias mobiles Zahlungsnetzwerk Mpesa angeboten. Das Mpesa-Bezahlnetzwerk funktioniert wunderbar, als Tourist ohne Safaricom-Simkarte ist man aber aufgeschmissen. Kreditkartenzahlungen wie bei Flügen sind nicht möglich.

Als Buchungsbestätigung dient lediglich die Transaktionsnummer, die einem per SMS vom Mpesa-System zugesandt wird. Das eigentliche Ticket muss man sich dann am Tag der Abreise an einem Self-Service Ticketschalter ausdrucken. Anstatt das man einen QR-Code zugesandt bekommt, den man nur scannen muss, muss man zwei lange Zahlencodes von Hand eintippen, um an sein Ticket zu kommen. Verglichen mit der Deutschen Bahn, wo man beim Fahrkartenkauf das Ticket direkt in der App digital als QR-Code ausgestellt bekommt, kommt es einem wie in der Steinzeit vor, an einem Self-Service Ticketschalter anstehen zu müssen, um ein Papierticket auszudrucken.

3. Die überzogenen Sicherheitsmaßnahmen

Die Bahnhöfe des Madaraka Express sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Allein schon um sein Ticket auszudrucken, muss man eine Drogenspürhundkontrolle und einen Gepäckscanner über sich ergehen lassen. Wohlgemerkt handelt es sich um eine Inlandsbahnfahrt. Mombasa, der größte Hafen Afrikas, ist bekannt als wichtiger Drogenumschlagspunkt. Heroin aus Asien und Kokain aus Lateinamerika durchlaufen Kenia, bevor sie nach Europa gelangen. Es ist auch kein Geheimnis, das Drogen von Mombasa zunächst nach Nairobi transportiert werden, um Spuren zu verwischen. Ob eine Spürhundkontrolle am Bahnhof aber sinnvoll dazu beiträgt, den Transport von Drogen zwischen Mombasa und Nairobi einzudämmen, bezweifle ich.

Nur weil man im Bahnhofsgebäude sein Ticket ausgedruckt hat, heißt das noch lange nicht, dass man fertig mit den Sicherheitskontrollen ist. Zunächst finden zwei Passkontrollen statt. Die erste Person prüft das Bild im Reisepass und sendet einen dann zu einer weiteren Person, die das Visum überprüft. So weit so verständlich, vielleicht kann man ja Leute aufspüren, die ihr Visum überzogen haben. Danach geht es erneut durch einen Gepäckscanner und Metalldetektor. Man sollte auf jeden Fall darauf achten, keinen der verbotenen Gegenstände, wie beispielsweise Taschenmesser oder Alkohol zu transportieren. Ansonsten darf man seinen Koffer öffnen und sich von den Gegenständen verabschieden. Um das zu vermeiden, kann man selbstverständlich auch ein Bestechungsgeld zahlen. 

4. Der furchtbar ineffiziente Boarding-Prozess

Am Bahnsteig gibt es automatische Boarding Gates, die mittlerweile außer Betrieb genommen wurden. So kann man direkt den Bahnsteig ohne weitere Ticketkontrolle betreten. Im Zug selber werden dann aber nicht alle Türen geöffnet, sondern nur etwa die Hälfte. Eine Zugbegleiterin an jeder Tür überprüft dann manuell, ob man auch in das richtige Abteil einsteigt, was natürlich zu langen Wartezeiten und dichtem Gedränge führt, weil der Zug sich nur extrem langsam füllt. Ein Zug in Deutschland, wo einfach alle Türen aufgehen und jeder einfach einsteigt, wäre in weniger als 10 Minuten bereit für die Weiterfahrt. Beim Madaraka Express dauert es mehr als eine halbe Stunde, bis der Zug voll ist.

Nach all den Ticket- und Sicherheitskontrollen möchte man meinen, dass jetzt erst einmal genug sei mit Fahrkartenkontrollen. Aber nein, zu Beginn der Fahrt läuft eine Zugbegleiterin erneut durch die Reihen und prüft von allen Passagieren erneut die Fahrscheine.

5. Die unbequeme Zugkabine

Die Sitze in der Economy-Class des Madaraka Express sind extrem unbequem. Es handelt sich nicht um einzeln geformte Sitze, sondern um eine hart gepolsterte Sitzbank, auf der drei Personen Platz haben. Armlehnen oder dergleichen gibt es keine. Man wird dazu gezwungen, extrem aufrecht zu sitzen, sodass schlafen unmöglich ist, es sei denn, man hat zufällig den Fensterplatz erwischt, wo man sich an die Wand oder auf den Tisch nach vorne lehnen kann. Man sitzt wie in einer Sardinenbüchse. Wer einen erträglichen Sitzplatz haben möchte, der kommt nicht drum herum, die erste Klasse zu buchen.

Die Fahrt im Madaraka Express wird immer wieder als besonders schön bezeichnet, da man durch den Tsavo-Nationalpark fährt. Es ist auch tatsächlich möglich, Tiere zu beobachten, vor allem Elefanten. Die Fenster sind aber so dreckig, dass man keine klare Sicht hat. Zudem sind die Fenster nicht vor Sonneneinstrahlung geschützt, sodass einem in der Regel nichts anderes übrig bleibt, als die Kabine durch Gardinen an den Fenstern abzudunkeln. Wer ohne Gardine am Fenster sitzt, der braucht eine Sonnenbrille, um nicht geblendet zu werden.

Begleitet wird die Zugfahrt dann von Ansagen im chinesischen Stil. So wird man über Lautsprecher darauf hingewiesen, keinen Müll auf den Boden zu werfen und das Kinder am Platz sitzen bleiben müssen. Gut gemeint, aber durchaus befremdlich von einem Zugunternehmen erzogen zu werden. Besonders interessant ist auch, dass es im Zug keine Mülleimer gibt. Der Müll wird lediglich sporadisch von den Zugbegleitern eingesammelt. Würden man an den Sitzreihen Mülleimer installieren, dann wäre das Müllproblem zum größten Teil gelöst und man bräuchte auch keine Lautsprecherdurchsagen. Die Kenianer schmeißen ihren Müll im öffentlichen Raum größtenteils auf die Straße, weil es eben so gut wie nirgendwo Mülleimer gibt. Hätten wir in Deutschland keine Mülleimer, wir würden dasselbe machen!

Apropos Erziehung: Alkohol gibt es im Zug zu kaufen. Der Kauf ist aber erst kurz vor Ankunft an der Endstation erlaubt. Warum man dann überhaupt Alkohol anbietet, ist mir ein Rätsel. Ein Glas Bier oder Wein möchte man doch genussvoll trinken, wenn man die Aussicht auf die Landschaft genießt und nicht kurz vor Ankunft schnell in sich reinkippen.

Fazit

Kommt man mit dem Zug in Kenia pünktlich und zuverlässig von A nach B? Ja! Ist die Reise komfortabel? Nein. Vielleicht ist die Sicht eines deutschen Ingenieurs auf Infrastrukturprojekte in Dritte Welt Ländern auch zu kritisch. Es gibt einen Zug und der fährt.

Die erste Lokomotive wurde im Jahr 1804 vom britischen Erfinder und Ingenieur Richard Trevithick gebaut. Am 7. Dezember 1835 wurde mit der sechs Kilometer langen Strecke von Nürnberg nach Führt die erste deutsche Eisenbahnverbindung eröffnet. 1879 stellte Werner von Siemens auf der Berliner Gewerbeausstellung die erste elektrische Lokomotive vor. 1991 begann mit der Einführung des ICE das Hochgeschwindigkeitszeitalter in Deutschland. Heute fährt die Deutsche Bahn zu 100 Prozent mit Ökostrom im Fernverkehr. In Deutschland wird viel gemeckert, obwohl das Land zu den Ländern mit der weltweit besten Bahninfrastruktur zählt.

Hätten deutsche Ingenieure die Bahnlinie in Kenia entworfen, dann bin ich mir sicher, dass das Ergebnis ein besseres gewesen wäre. Die Bahnhöfe wären nicht überdimensioniert worden, es fahren ja nur drei Passagierzüge pro Tag von Nairobi nach Mombasa. Es hätte bequeme Sitze und auch ausreichend Stauraum für Koffer gegeben. An den Sitzplätzen hätte man Mülleimer angebracht, damit die Gäste den Müll nicht auf den Boden schmeißen. Ein Ticket hätte man sich vollständig digital über eine App kaufen können. Man hätte ein Konzept aufgestellt, den Bahnhof zum Beispiel über einen Shuttlebus oder einem kurzen Zubringerzug mit dem Flughafen zu verbinden. 

Wir sollten in Deutschland selbstkritisch bleiben. Das hilft uns dabei, uns kontinuierlich zu verbessern. Wir sollten uns aber auch nicht schlechter machen, als wir sind.

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